Bereits hier und hier erwähnte ich, dass Prime bald Werbung schalten wird bzw. werbefreies Prime teurer wird. Da stellt sich mir die Frage: was ist Amazon Prime überhaupt wert?

Bisher war die App des Streaming-Diensts etwas ungelenkig, unpraktisch und hakelig. Andererseits war Prime aber auch günstig und bot neben Filmen und Serien auch noch Vorteile bei den Versandkosten. In den letzten Jahren hat Amazon aber die Preise angezogen. Die jetzige Erhöhung wirkt besonders frech, weil die letzte noch nicht so lange zurückliegt.

Was die Prime-Vorteile sind, hat Amazon in der heute an seine Kunden verschickten E-Mail selbst beantwortet:

  • Unbegrenzter kostenloser Premiumversand für Millionen von Artikeln. In ausgewählten Metropolregionen liefern wir dein Paket sogar noch am selben Tag aus, wenn du morgens bestellt hast.
  • Zugang zu exklusiven und umfangreichen Video-Streaming-Inhalten einschließlich exklusiver Prime Video-Titel wie LOL: Last One Laughing, Die Discounter, Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht, The Boys, Tom Clancy’s Jack Ryan, Reacher, Der Sommer, als ich schön wurde sowie exklusive Live-Sportübertragungen wie das Highlight-Spiel der UEFA Champions League am Dienstagabend (nur für Prime-Mitglieder in Deutschland verfügbar). 
  • Ab 2024 neu: Prime Video wird den Wimbledon Tennis Grand Slam exklusiv und innerhalb deiner Prime-Mitgliedschaft zeigen – ohne jegliche Zusatzkosten. 
  • Zugriff auf Prime Video Channels mit einer einzigartigen Auswahl individuell buchbarer Channels, darunter Paramount+, DAZN, MGM+, ARD Plus, ZDF Select, Discovery+, Sony Channel, AXN, GEO Television und Filmtastic – ohne zusätzliche App, unabhängig von Bundles und jederzeit kündbar.
  • Exklusive Angebote und Shopping-Events wie Prime Day. 
  • Werbefreier Zugriff auf über 100 Millionen Songs im Zufallsmodus, Playlists on-demand und die größte Auswahl an Podcasts ohne Werbung mit Amazon Music.
  • Kostenlose Lebensmittellieferung mit Amazon Fresh in Berlin, Potsdam, Hamburg und München ab einem Bestellwert von 80 Euro oder in ausgewählten Gebieten im Webshop von Tegut bei Amazon oder der Amazon App.
  • Unbegrenzter Speicherplatz für Fotos mit Amazon Photos.
  • Kostenfreie Spiele, In-Game-Inhalte und ein Channel-Abonnement auf Prime Gaming.
  • Hunderte von Büchern und Zeitschriften mit Prime Reading.

Amazon E-Mail vom 03.01.2024

Ob sich Amazon für jemanden individuell lohnt, kann man sich beim Durchgehen der Liste selbst beantworten. Für mich sind nur die ersten beiden Punkte interessant. Alle restlichen Punkte sind für mich komplett unbedeutend. Und von den in Punkt zwei erwähnten Serien sehe ich nur Die Discounter, Die Ringe der Macht und The Boys. Hervorzuheben ist, dass mit Jack Ryan eine bereits beendete Serie beworben wird — das zeigt, das Amazon schon mit Tricks die Liste aufplustern musste und sich nicht mal traute, den Millionenflop Citadel dort zu nennen.

Für mich ist der Deal damit zu schlecht geworden. Sport-Übertragungen interessieren mich nicht. Kostenpflichtige Channels hinzu zu buchen, ist kein echter Prime Vorteil — das geht auch sonst überall — etwa bei Apple. Kostenlose Lebensmittellieferungen bietet Amazon erst gar nicht in meiner Stadt an. Meine Fotos landen mit Sicherheit nicht bei Amazon.1 Und Prime-Gaming und Prime-Reading sind ebenfalls für mich uninteressant.

Amazon bietet nicht die Möglichkeit, den Dienst individuell zusammenzustellen. Stattdessen muss man einen Preis für alles zahlen. Am Anfang war das gut: Prime war günstig und auf einmal gab es sogar noch Filme und Serien dazu. Man freute sich über ein zusätzliches Angebot zum selben Preis. Prime war sympathisch; das Logo lächelte einen freundlich an. Jetzt ist Prime teuer geworden. Man freut sich nicht mehr über zusätzliche Angebote, sondern ärgert sich, dass das Angebot ausgeweitet und gleichzeitig der Preis angehoben wird. Es ist, als würde man im Supermarkt zwei Dosen Mais kaufen und der Supermarkt legt ungefragt noch Hackfleisch und Bohnen dazu und verlangt: kaufe das jetzt alles oder eben nichts davon. Dass Amazon auch separat Leistungen anbieten kann, zeigt der Dienst bei Kindle unlimited (11,75€/Monat), Amazon Music unlimited (9,99€/Monat) und Audible (9,99€/Monat). Es wäre daher ohne weiteres möglich, etwa den Foto-Dienst, Gaming oder den Sport separat anzubieten und den Kern dafür günstiger zu machen.

Amazon hat noch ein weiteres Problem (oder umgekehrt: ich habe das Problem mit Amazon). Die Apps funktionieren — mehr aber auch nicht. Weder macht ihre Benutzung besonders Spaß noch stecken liebevolle Details in den Apps. Stattdessen wirken sie hakelig und spröde, obwohl es auf Apple Geräten auch gute Beispiele für tolle Apps gibt. Netflix hat da zum Beispiel eine hervorragende App erstellt.2 Auch die Mubi-App ist toll geworden.3 Warum aber schenkt Amazon seinen Apps so wenig Liebe? Über den Grund kann man nur Vermutungen anstellen. Möglicherweise will Amazon vermeiden, dass die Apps auf iOS besser aussehen als auf den eigenen Geräten.

Im Ergebnis ist Amazon jetzt so teuer wie alle anderen geworden.4 Die Apps sind aber qualitativ deutlich schlechter gestaltet und viele Angebote brauche ich nicht. Für mich wird Amazon dadurch letztlich deutlich günstiger. Ich werde den Dienst nur noch einen Monat im Jahr abonnieren. In diesem Monat werde ich dann die drei bis vier Serien sehen, die mich interessieren und dann werde ich den Dienst wieder kündigen.

Update: 05.01.2024

Auch Spiegel hat hinterfragt, ob sich Prime noch lohnt. Der Artikel ist hinter einer Bezahlschranke.Spiegel+-Abonnenten können den Artikel hier lesen.


  1. Es ist natürlich möglich, dass sie auf den AWS-Servern liegen, aber dann zumindest verschlüsselt und ohne Amazons Möglichkeit, sie zu Marketingzwecken auszuwerten. ↩︎

  2. Man kann zu Netflix, den Preisen und Inhalten geteilter Meinung sein. Die iOS App ist aber sehr gelungen und das fluide Design lässt die App sehr modern wirken. Es macht einfach Spaß, eine Serie oder einen Film auszuwählen und die heran- und herauszoomende Animation anzusehen. ↩︎

  3. Die Mubi-App überzeugt vor allem durch ihr nüchternes Design bei gleichzeitiger Informationdichte. ↩︎

  4. Amazon verlangt im Monatsabo 8,99€ plus 2,99€ für die werbefreie Version — der Dienst kostet also stolze 11,98€/Monat bei monatlicher Zählweise. Disney+ kostet werbefrei 8,99€ — für UHD muss man aber 11,99€ hinlegen. Apple TV+ kostet 9,99€ und Paramount+ 7,99€. Lediglich für Netflix (werbefrei 12,99€) und WOW (12,98€ bzw. 14,98€) zahlt man mehr — beide Dienste bieten aber auch mehr! ↩︎