Twitter war mein liebstes soziale Medium, weil es die Möglichkeit eröffnete, direkt am Puls der Zeit zu sein. So konnte etwa ein Politiker, Schauspieler oder Korrespondet direkt Tweets posten, ohne dass dazwischenliegende Medien eingeschaltet werden müssten. Twitter war aber — was viele mittlerweile ausblenden — auch schon lange vor der Übernahme von Elon Musk kein besonders schöner Ort im Internet mehr. Trolle, Hetzer und toxische Menschen sowie rassistische, antisemitische und beleidigende Kommentare waren schon länger ein Problem auf Twitter. Dabei war das vor allem ein Problem, wer die Plattform wie nutzte.

Twitter hätte diese Problem zum Beispiel durch die Erschwerung des Anmeldevorgangs (Verifizierung, Anmeldegebühr, Verknüpfen von Phone und User) abmildern können, um die Erstellung von beliebig vielen Accounts zu erschweren. Selbstverständlich wurden solche Hindernisse nie eingeführt, denn ein soziales Medium lebt von einer möglichst hohen Nutzerzahl.

Bluesky hat derzeit den Anmeldevorgang durch Invite-Codes eingeschränkt, weswegen auf dem Medium noch eine sehr harmonische Stimmung herrscht. Ohne Bekanntheitsgrad ist das Starten auf Bluesky allerdings recht schwer und das dürfte auch der Grund der Invite-Codes sein. Hashtags oder ähnliches gibt es auf Bluesky nicht.

Threads hingegen ist Instagram mit Text. Die algorithmische Timeline ist enorm anstrengend. Und da vor allem viele Insta-Nutzer auf Threads sind, werden vor allem Selfies in die Timeline gespült.

Mastodon hat keinen Algorithmus, der Content in die Timeline schiebt oder ausblendet. Das wird von einigen (etwa Jan Böhmermann) als Problem bezeichnet. Andere finden das hingegen gerade angenehm. Ich habe Twitter nie mit algorithmischer Timeline genutzt und benötige das auch nicht unbedingt auf Mastodon. Mastodon bleibt zudem ein sympathischer Ort dank vieler Instanzen und ihrer Admins, die regelwidrige Posts relativ zuverlässig löschen und entsprechende Nutzer sperren können. Weiterer Vorteil von Mastodon sind die Vielzahl an möglichen Clients. So kann neben dem offiziellen Client auch Ivory, Mona, Mammoth oder Ice Cubes genutzt werden. Mastodon ist außerdem der einzige Dienst, der nicht einem Unternehmen gehört, das Nutzerdaten zu Profit verwandeln will. Ich empfinde es auch als Vorteil, dass Mastodon nicht die gesamten Posts durchsuchbar macht, sondern ein Post nur über die Hashtags auffindbar ist und User damit die Wahl überlassen wird, ob ihre Posts auffindbar sind.

So, warum ist Mastodon nicht der unstreitige Gewinner der Twitter-Alternativen? Da ist zuerst das Problem der Instanzen, denn die Auswahl der Instanz erschwert einen leichten Zugang zum Medium. Ein weiteres Problem resuliert genau daraus: da es enorm viele Instanzen gibt, gibt es kaum eine Möglichkeit, offizielle Accounts zu verifizieren. Staatliche Accounts können dies durch ihre eigene Instanz ermöglichen. Einzelne Personen, wie Schauspieler haben aber eine gewisse Schwierigkeit. Und dadurch ist für eine große Anzahl prominenter Personen der Weg zu Mastodon erschwert. Und das trägt auch zu einer geringeren Popularität des Mediums bei. Und zuletzt ist Mastodon für viele Unternehmen und professionelle Nutzer nicht interessant, da es derzeit kaum Wege gibt, Inhalte zu promoten, zu analysieren und zu monetisieren. Das ist nicht unbedingt ein Nachteil. Es hält aber genau solche Personen von der Nutzung von Mastodon ab, da es sich für sie schlicht nicht lohnt. Und solche Personen sind selbstverständlich Schwerkraftquellen für ein soziales Medium. Es bleibt die Frage, ob Mastodon für diese Probleme Lösungen finden wird oder will. Bisher scheint sich Mastodon nicht auf Sterne oder Gasriesen, sondern eher auf Zwergplaneten und Asteroiden auszurichten.